Schriftform
27. Mai 2024
Schriftform; Verschiebung der Fälligkeit der Zahlung
27. Mai 2024

1. Die Frage, ob eine Urkunde die Schriftform wahrt oder nicht, ist grundsätzlich aus der Sicht des Zeitpunkts ihrer Unterzeichnung zu beurteilen. Spätere tatsächliche Geschehnisse können die Wahrung der Form nicht mehr infrage stellen. Allenfalls nachträgliche, nicht formwahrend getroffene Änderungsvereinbarungen können dazu führen, dass die Schriftform von nun an nicht mehr gewahrt ist.

2. Für die formgerechte Errichtung der Vertragsurkunde ist grundsätzlich die Partei beweisbelastet, die aus einem Mietvertrag, der der gesetzlichen Schriftform bedarf, Rechte herleitet.

3. Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem langfristigen Mietvertrag zu lösen.

4. Bei einer Vermietung „vom Reißbrett“ ist der Mietgegenstand zwar besonders genau zu beschreiben, weil die tatsächliche Ausgestaltung der Räume in diesem Fall bei der Auslegung des Mietgegenstands nicht herangezogen werden kann. Hat ein Mieter aber das gesamte Gebäude/Grundstück angemietet, ist sogar das Fehlen eines Lageplans sowie der Baubeschreibung, in denen der Mietgegenstand beschrieben wird, für die Wahrung der Schriftform regelmäßig unerheblich, so dass es auf das Fehlen der exakten vermieteten Quadratmeterzahl nicht ankommen kann.

5. Selbst wesentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts brauchen nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt. Insoweit darf auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden.

6. Enthält eine „Vereinbarung zu den Außenanlagen/Beleuchtung Parkplatz und Werbeanlagen“ nur Regelungen über Beleuchtungsverteilung und Aufteilung der Stromkosten, handelt es sich um Nebensächlichkeiten, die nicht geeignet sind, eine Schriftformbedürftigkeit zu begründen.

7. Eine Nachtragsvereinbarung genügt auch ohne körperliche Verbindung mit dem Ausgangsmietvertrag der Schriftform, wenn sie die Parteien bezeichnet, hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt, die geänderten Regelungen aufführt und erkennen lässt, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll.

8. Der Einhaltung der Schriftform des Mietvertrags steht es nicht entgegen, wenn in einer nummerierten Nachtragsvereinbarung nur der Mietvertrag, nicht aber zuvor vereinbarte, ebenfalls nummerierte Nachträge im Einzelnen benannt sind. Die erforderliche Einheit der Urkunde ist gleichwohl gewahrt.

9. Bei der Vermietung von Räumen in einem noch zu errichtenden Gebäude (Vermietung vom Reißbrett) kann sich die erforderliche Bestimmbarkeit des Mietobjekts zum einen aus Plänen ergeben, in denen die vermieteten Räume gekennzeichnet sind, zum anderen aber auch aus einer in der Vertragsurkunde selbst enthaltenen, hinreichend genauen Beschreibung der Größe und Lage der Mieträume im Gebäude. Es genügt daher, wenn das Mietobjekt auf die eine oder andere Weise formrichtig und hinreichend bestimmbar bezeichnet ist.

10. Wenn das ganze Grundstück/Gebäude vermietet ist, sind zur Konkretisierung des Mietobjekts keine Baupläne notwendig, um eine Abgrenzung der einzelnen Mietflächen zu kennzeichnen.

11. Durch die aus der Urkunde ersichtliche Einräumung eines Umbaurechts ist ein potentieller Erwerber hinreichend vor erfolgten Umbaumaßnahmen gewarnt, so dass es ihm zuzumuten ist, sich gegebenenfalls bei dem Verkäufer oder bei dem Mieter zu erkundigen.

12. Die Regelung in einem Mietvertrag, dass das Mietverhältnis mit der künftigen Übergabe der Mietsache beginnt, steht der Wahrung der Schriftform nicht entgegen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 15.06.2022, 12 U 86/21, ZMR 2023, 193